51491 Steinenbrück
Overath

Die Schule von 1930-1950

Vor dem Krieg, während des Krieges und nach dem Krieg“ so beschrieben unsere Zeitzeugen die Zeitabschnitte zwischen 1930-1950. Die Schulzeit war von Not, Arbeitslosigkeit, Ungewissheit und Angst geprägt, wie in unserer Chronik beschrieben wurde:

31. Dezember 1930

Noch bevor das alte Jahr Abschied genommen, trifft unsere engere Heimat kurz vor Jahresabschluß ein harter Schlag. Wild schwirrten in letzter Zeit beängstigende Gerüchte über Stillegung der Grube  Lüderich, die rund 600 Bergarbeitern Arbeit und Verdienst gibt, umher, aber immer noch hoffte man, das Schlimmste werde nicht eintreten. Nun aber sind die Würfel gefallen! Sämtlichen Arbeitern der Grube Lüderich wurde gestern mit eintägiger Frist gekündigt, so dass heute am letzten Tage des Jahres 1930 auch die letzte Schicht verfahren wurde. Das Heer der Arbeitslosen wird um 600 Bergleute vergrößert, und auch unsere Heimat soll nun die Bitternisse der Arbeitslosigkeit kennenlernen. (…)

Die Folge dieses Geschehens musste für die Steinenbrücker, die meist Kleinbauern und Bergarbeiter waren, sehr hart sein. Dieser harten Schlag wirkte dann nicht nur für die Arbeiter selbst, sondern auch für die Familienangehörigen und die politische Kirchengemeinde Steinenbrücks. Am 22. Juni 1931 fanden wir auch einen Eintrag in der Schulchronik über die Verlegung der Sommerferien, die mit den Schwierigkeiten der hiesigen Zeit verbunden ist.

22. Juni 1931

Der großen Not unserer Zeit gehorchend wurden in diesem Jahre die Sommerferien ausnahmsweise als Waldbeerferien von 22. Juni bis 15 Juli verlegt. (Rheinische Zeitung, 1931, Stadtarchiv Bergisch Gladbach)

Wir haben überall gefragt, bei Archivaren in Overath, Bergisch Gladbach und in Köln, ob jemand uns über diese Ferien unterrichten könnte. „Nie gehört und nie gelesen“, bekamen wir zur Antwort. Kartoffelferien ja, aber keine Waldbeerferien. Wir haben auch in Büchern und im Internet recherchiert, aber wir fanden nichts darüber. Im Internet wurde zwar der Begriff erwähnt, aber mehr war nicht drin. Nur als wir die Zeitungsberichte, die wir während der Weihnachtsferien gesammelt haben, durchsahen, fanden wir neben dem Bericht Steinenbrück unseren längst gesuchten Begriff und Artikel zu „Waldbeerferien“. Und darum werden die Artikel, die wir gefunden haben, als volle Texte in dieser Arbeit wiedergegeben wurden. 

7. Juli 1931 Amt Overath, auf der Beerensuche

Heiligenhaus, 6 Juli, Die diesjährige Waldbeerernte war auch in hiesiger Gegend recht gut. Doch bei der herrschenden Arbeitslosigkeit wurde mit den Vorräten, die unsere Wälder boten, flott aufgeräumt, so dass ein weiteres Suchen sich hier schlecht lohnt. Wer Frühaufsteher ist, sieht gegen 4 Uhr morgens kleinere und größere Trupps per Fahrrad, Kraftrad und sogar per Lieferwagen aufwärts ziehen. Die Fahrt geht zum Hedberg, ein großes Waldgebiet zwischen Marialinden und Drabenderhöhe, welcher früher schon als ein ergiebiges Erdbeergebiet bekannt war. Es soll keine Seltenheit sein, wenn ein fleißiger solcher 30 bis 40 Pfund je Tag erntet. (Rheinische Zeitung, 1931, Stadtarchiv Bergisch Gladbach)

Weiterhin geht es um Waldbeerernte: 

31. Juli 1931, Steinenbrück

Mit dem heutigen Tage enden für die hiesige Schule die diesjährigen  Waldbeerferien. Dem guten Einvernehmen zwischen Schule und Steinenbrück ist es zu verdanken, dass diese Ferien für die Schule eingelegt worden sind. Wurden doch die meisten Familien durch diese Maßnahme in die Lage versetzt, vom Suchen und Verkaufen von Waldbeeren manche Groschen zu verdienen. Die Schulbehörde hat für die Not und Entbehrung, unter welcher die hiesige Bevölkerung zu leiden hat, volles Verständnis gezeigt, wofür ihr öffentlicher Dank gebührt. (Rheinische Zeitung, 1931, Stadtarchiv Bergisch Gladbach) 

19 Juli 1935, Overath

Nach dem reichgesegneten Beerenjahre 1934 hatte es in diesem Jahre wenig Zweck die Wald und Himbeerwälder durchzustreifen. Sehr machten sich im hiesigem Bezirk die Folgen der späten Nachtfröste geltend. Es ist bedauerlich, dass manche minderbemittelte Familie einen empfindlichen Verdienstausfall hierdurch zu verzeichnen hat. Unsere Hausfrauen werden froh sein, wenn es ihnen noch möglich war, wenigstens ein paar Gläser für den Winter vollzuwecken. (Westdeutsche Beobachter, 1935, Stadtarchiv Bergisch Gladbach)

Während des Krieges wurde auch der Schulunterricht durch Fliegeralarm, Bombardierung, Soldaten- und Flüchtlingseinquartierung und desgleichen gestört oder zum Erliegen gebracht, wie in der Schulchronik zu lesen ist.

16 April 1939

Ortsgruppenleiter und Bürgermeister Hover und ein Angestellter des Bürgermeisteramtes entfernten aus allen Klassen die Kruzifixe und legten sie auf den Schulspeicher.

1 September 1939

Infolge des Kriegsausbruchs zwischen Deutschland und Polen fällt auf Anordnung des Reichsministers der Luftfahrt der Unterricht bis auf weiteres aus.

7 September 1939

Auf Anordnung des Bürgermeisters in Overath ist heute der Unterricht wieder aufgenommen worden.

9. September 1939

Gemäß Bestimmung des Bürgermeisters Hover wird bis auf weiteres der Unterricht wieder ausgesetzt.

Januar 1940

Heute musste der Unterricht ausfallen. Sämtliche Klassen waren mit Soldaten belegt. 150 Mann der 2 Komp. 10 Jäger Feldpostnummer 21997 c waren auf die 3 Klassen verteilt. Gegen 5 Uhr morgens trafen sie ein und rückten um 21 Uhr wieder ab.

5 März 1940

In der 2 und 3 Klasse waren heute 120 Mann einer Infanterie-Komp für 4 Stunden von 18 bis 22 Uhr einquartiert. Auf dem Schulhof standen 57 Pferde.

September 1940

Bei dem Fliegerangriff der vergangenen Nacht warfen die Engländer zum ersten Male Brandplättchen auf Steinenbrück. Im Hofe des Herrn Hamacher, Römerstraße wurde das erste Brandplättchen gefunden.

17 Februar 1941

Laut Anruf des Bürgermeisteramtes beginnt der Unterricht um 8:30 und bei nächtlichem Fliegeralarm um 9.30.

24 Mai 1941

In der vergangenen Nacht gegen 2.40 warfen feindliche Flieger auf Steinenbrück 4 schwere Sprengbomben....

23. April 1942

Nachdem im hiesigen Schulbezirk viele Spreng- und Brandbomben gefallen sind, gehört vom 20. April ab auch Steinenbrück zum Warngebiet. In der vergangenen Nacht gegen 0.15 Uhr ertönte zum ersten Male die Sirene. Die Entwarnung war um 1.45 Uhr. Bomben sind hier keine gefallen.

28. April 1942

Steinenbrück erlebte eine wahre Schreckensnacht. Nach vorheriger um 0.15 fiel 1.30 Uhr hinter das Haus Wilhelm Pütz Wiese in das Katzbachtal eine schwere Luftmine. Wenige Minuten später wurden in Altenbrück, Aufbereitung und Schalthaus 5 schwere Sprengbomben geworfen. Durch den Luftdruck der Mine wurden im Umkreis von 1000 m viele Häuser beschädigt. An hiesiger Schule waren sämtliche Fenster nebst Oberlichter aufgerissen und 7 Scheiben zertrümmert. In der Kirche wurden Glasmalereien am Chore stark beschädigt. Sachschaden entstand noch in Klein- und Großdresbach, Großlöderich, Katzemich, Schmitzlöderich, Büchel und an den oberen Häusern von Frielinghausen. Die 5 Sprengbomben in Altenbrück, welche in Wiese und Wald fielen, hatten nur Fensterscheiben und Dachziegel zertrümmert.

16 April 1942

In der vergangenen Nacht gegen 2.30 Uhr warfen feindliche Flieger 62 Phosphorbrandbomben . Die erste Bombe fiel in die Schlosserei der Aufbereitung, die 5 nächsten auf die Wiese des Landwirts Hubert Kierdorf in Altenbrück, ein Blindgänger dicht vor und 2 Bomben hinter das Haus Schleißer, Altenbrück. Im Holzbachtal hinter die Häuser Rottländer am Neubau Fischer und Müller fielen 15 Bomben in den Wald und verursachten einen Waldbrand. In Müllenholz wurden 38 Bomben geworfen. Das Haus Wirtz-Dreschbach und der Stall des Bauers Odenthal wurden getroffen. Es entstand Sachschaden.

29. Juni 1943

Infolge der letzten großen Fliegerangriffe auf Köln wurden heute Nachmittag alle Klassen ausgeräumt und für Fliegergeschädigte eingerichtet. 30 Zentner Pressstroh wurden in den Klassen als Liegestätte ausgebreitet. Auf Anordnung des Bürgermeisteramtes in Overath wird der Unterricht auf unbestimmte Zeit ausgesetzt.

4 Juli 1943

20:30. Die ersten Kölner Fliegergeschädigten treffen hier ein. 150 Personen, Männer, Frauen und Kinder werden in den 3 Klassen untergebracht.

20. Juli 1943

Die Transporte der Fliegergeschädigten halten noch immer an. Unsere Schule beherbergt zeitweise 250 bis 300 Personen. Die Verpflegung erfolgt in der Wirtschaft Jakob Radermacher.

10 September 1944

Auf Bitten der Lehrerin Christine Schneider wird von der Deutschen Militärverwaltung ein Schulsaal für den Unterricht freigegeben. ….Ab 18 Uhr dient der Schulsaal den Soldaten als Unterrichtsraum und nachts wird er als Schlafsaal benutzt.

15 Oktober 1944

Am heutigen Sonntagmorgen werden Steinenbrück und Altenbrück von feindlichen Bombern angegriffen. Auf dem Sportplatze brannten 3 Wohnungen vollständig ab und eine vierte wurde zum Teil durch Volltreffer zerstört. Da die Bewohner sich in Luftschutzstollen und im nahen Walde aufhielten, wurden nur 4 Personen leicht verletzt. 7 schwere Bomben fielen auf dem Sportplatz und den angrenzenden Wald.

Wie abenteuerlich für die Kinder diese Zeit sein konnte, wie es Frau Elisabeth Marks äußerte. „Endlich wat los“ während Einquartierung in ihrem Hause war, diese Ereignisse waren nicht zu beschreiben als pure Belastung für die Kinder. Fliegeralarm während des Unterrichts, wenn es Unterricht überhaupt gab, oder nachts aus dem Bett gerissen zu werden und in aller Eile in den Wald und in den Schutzstollen zu gelangen, ist bestimmt auf die Dauer nicht mehr abenteuerlich für die Kinder und Jugendlichen. Aber wir können es uns vorstellen, dass diese Not und Angst die Steinenbrücker irgendwie verbindet und diese Erinnerungen die alte Generation bis heute zusammenschweißt. Mitten im Wirrwarr des Krieges wurden die Kinder bzw. Jugendlichen zu manchen Aufgaben wie folgt beauftragt oder miteinbezogen, wie die Schulchronik es uns verrät:

21 August 1940

Auf Aufruf des Bürgermeisters in Overath wird bis auf weiteres der Unterricht ausgesetzt. In diesen unfreiwilligen Ferien werden auf Anordnung des Schulamtes Sammelappelle für Altstoffe abgehalten. Diese finden jeden Mittwoch um 10 Uhr statt. Die Kinder der beiden oberen Klassen bringen zu diesen Appellen auch die gesammelten und getrockneten Heilkräuter mit. Jeden Donnerstag wird um 14 Uhr Kartoffelkäfersuchdienst abgehalten. Der Suchdienst nach brandverursachenden Präparaten beginnt nach jedem feindlichen Fliegereinflug täglich um 9 Uhr. An den Sammelappellen und dem Suchdienst beteiligen sich sämtliche Lehrkräfte.

15 September 1940

Von den Kindern wurden bis heute gesammelt 151.7 kg getrocknete Heilkräuter und 1708 kg Altstoffe (Eisen, Knochen, Papier)

8 November 1941

Bei der von den Kindern durchgeführten Flaschensammlung wurden 3227 Flaschen gesammelt.

Von dieser Aufgabe sprach auch Herr Josef Hagen:

Frage:            Wir haben gelesen, dass es 1940 eine Heilkräutersammlung gab.

Herr Hagen:   Ja, haben wir auch gemacht.

Frage:             Können Sie vielleicht davon erzählen?

Herr Hagen:   Im Sommer standen viele Kräuter.

Frage:            Zum Beispiel?

Herr Hagen:   Mit dem Namen kenne ich mich nicht aus.

Frage:            Aber Sie haben sie sofort erkannt?

Herr Hagen:   Die wurden in die Schule gebracht und in Säcke gesteckt und dann nach Overath gebracht.

Frage:            Für wen sind eigentlich die Pflanzen?

Herr Hagen:   Für Medizin.

Frage:            Für wen?

Herr Hagen:  Da wurde Medizin daraus gemacht. In Chemiefabriken oder was weiß ich! Wir mussten sie auf jeden Fall nach Richtung Overath bringen.

Frage:            Bekamen Sie die Medizin zurück?

Herr Hagen:  Ne, ne, ne, ne, die Wehrmacht!

Fragen:          Ach so!

Herr Hagen:   Wenn die verletzt waren. Das war ja im Krieg 1940.

Frage:            Es wurde ja auch Eisen gesammelt.

Herr Hagen:   Ja, Eisen.

Frage:            Alle Stoffe?

Herr Hagen:   In die Industrie. Es wurde Eisen, Kupfer, Messing.

Frage:            Eine Altmaterialsammlung. Wie wurde das gesammelt.

Herr Hagen:  Es wurde gesagt, dann und dann wird Eisen so abgegeben und haben wir dann gesammelt.

Frage:            Jedes Haus?

Herr Hagen:   Jedes Haus.

Frage:            Jedes Haus. Und dann sind sie zu jedem Haus gegangen und haben dann gesammelt. Sie waren ja schon in dem Alter fast aus der Schule.

Herr Hagen:   Ja, ja, 8 Klasse.

Wir haben in diesem Gespräch gespürt, dass Herr Hagen vielleicht nicht genau wusste, warum

und wofür sie eigentlich sammeln gehen. Wir haben auch bei dem Archivar recherchiert und nach

geguckt, aber haben wir nichts über dieses „Sammeln“ gefunden. Herr Othmar Sedlaczek, unser

Archivar hat gesagt, dass alle Kriegsunterlagen von dem Bürgermeister Hover auf einen Haufen

geworfen und alles verbrannt wurde. Wir fragen weiter über das „Kartoffelsammeln“ und dieses

Mal haben wir zwei verschiedene Antworten bekommen.

Befragung mit Herrn Josef Hagen

                        „Und so mussten die älteren 13, 14, oder auch 12 weiß ich nicht mehr, mussten dann durch die Felder gehen und nach Kartoffelkäfern suchen.

                        Ob jemals einer gefunden wurde, weiß ich nicht. Vor dem Krieg wusste man nichts davon. Nur so im Norden, Osten gab es Kartoffelplagen. Da müssten Sie die vom Norden fragen. Die mussten das genauso gut machen wie wir. Von der Schule aus. Wir mussten uns nachmittags nach der Schule treffen. Wenn man eingesetzt war, kriegte man keine Hausaufgaben. Dafür musste man Kartoffelkäfer suchen. Da sind wir jede Woche einmal hingegangen. Da kam einer vom Hof und hat die Leute mitgenommen. Ja, so 3 Stunden. Da ging man da hin und dann mal nach oben.“

Befragung mit Frau Elisabeth Marks                    

„Das war ja auch nach dem Krieg, die haben ja immer gesagt, das weiß ich nicht. Die Amis hätten Kartoffelkäfer aus der Luft geschmissen, ne. Und dann kriegten wir von der Schule frei und mussten Kartoffelkäfer sammeln. Da hatten wir ein Glas und gingen durch die Felder und haben dann… Dann waren dann einmal die dicken Kartoffelkäfer und dann - wie nennt man das, Larven… Eine Larve, ne. Und dann haben wir gesammelt.“

An die Frage, ob sie viel gefunden hatte, antwortete sie:

                        „Ja, was meinen Sie wohl? Was meinen Sie wohl, wie die Felder verseucht waren?“

Auf die Frage, wann sie denn gingen, erläutert sie:

                        „ Auch manchmal, dat mir schulfrei hatten, ne. Auch dat dat so schlimm war, dann sacht der Lehrer; „Ne, wir machen jetzt Schluss und dann können wir Kartoffelkäfer sammeln gehen.“

Wir haben erwähnt, dass die Schulchronik zeigte, dass eine Verordnung zum Kartoffelsammeln

einmal in der Woche gemacht wurde. Sie meinte, dass sie auch mehrmals in der Woche nachmittags gingen. Sie konnte sich noch gut an diese „grünlichen Dinger“ erinnern. Sie sammelten bei den

Bauern  oder wo Kartoffeln waren. Wir waren neugierig, ob sie doch jemals von den Bauern

Kartoffeln mit nach Hause nehmen durfte, wie es heutzutage als „selbstverständlich“ gilt, wenn

man was geleistet hat. Wir bekamen zur Antwort:

 

            „Nee, ne,ne , Dat machen wa… Da haben wir nichts für gekriegt, nein.

 

Zwar sind die Appelle im April 1940 datiert, jedoch ging das „Kartoffelkäfersammeln“ nach dem Krieg noch weiter, wie es uns von Frau Ingrid Tödt berichtet wurde. Frau Tödt ist natürlich 1941 geboren.

„Ja, überall hier rum war das. Kartoffelkäfer, das war so üblich. Die mussten immer     abgesammelt werden.“

Frau Tödt ist im Vergleich zu Herrn Hagen und Frau Marks nicht zu fremden Bauern oder Höfen gegangen. Man konnte schon an dieser Stelle merken, dass Frau Tödts Aussage schon ein Stück entfernt war von Frau Marks Aussage. Bemerkenswert für uns ist in diesen Aussagen die Tatsache, dass die Kinder bzw. Jugendlichen, ohne dass es von ihnen richtig wahrgenommen wurde, auch ein Teil vom „miteinander“ in der Gemeinde zu dieser Zeit darstellen. Wir können uns sehr gut vorstellen, wenn es wirklich soweit gekommen wäre, dass die Kartoffelernte über Nacht vernichtet worden wäre, dies für die Steinenbrücker ein besonders harter Schlag gewesen wäre.           

„Der Kartoffelkäfer ist gelb, wobei sei Halsschild  schwarze Flecken aufweist und sich auf den Flügeldecken zehn dunkle Längsstreifen befinden. Die Größe beträgt zwischen 7 und 15 mm.. Der Käfer ist weltweit verbreitet. Ursprünglich kam er, wie die Kartoffel auch, aus Amerika („Colorado beetle“). In Europa wird er erstmals 1877 in Liverpool und Rotterdam in den Hafenanlagen gesichtet. Erste Funde sind in Deutschland Mülheim am Rhein und Torgau. 1887 und 1914 fanden sich in Europa größere Befallsherde. 1922 dringt der Kartoffelkäfer auf breiter Front von Westen ins Landesinnere vor, überschreitet 1936 den Rhein und gelangt 1945 an die Elbe, 1950 an die Oder. 1960 erreicht er Polen und die UdSSR. In Europa hat der Kartoffelkäfer keine natürlichen Freßfeinde, seine Warnfarben haben ihn optimal geschützt. Man versucht, der Käferplage durch Chemikalien Herr zu werden. (www. wikipedia.org)

Wie schon vorher erwähnt, konnten unsere Zeitzeugen sich mehr in Sachen „Religion“ in ihrer Schulzeit erinnern als an die Schule selbst. Kirche und Schule waren sehr eng zu dieser Zeit verflochten. Unsere Zeitzeugen haben fast alle gleiche Äußerungen in Sachen Religionsunterricht gemacht.

Frau Marks meinte, die hatten in der Woche 2 Stunden Religion: eine Stunde Bibelstunde und eine Stunde Katechismus. Die Zehn Gebote wurden dann richtig durchgenommen und auch die “Kirchengebote“. Religion wurde damals vom Pastor unterrichtet. Fast alle Kinder gingen auch jeden Tag zum Vorbeten und zur Messe um halb sieben. Danach gingen sie zur Schule.

Herr Daubenbüchel dagegen erzählte uns, dass sie wegen der Schulmesse Dienstag und Freitag auch zur Kirche gingen. Und natürlich mussten die Kinder sonntags der hl. Messe beiwohnen. Aber das hörte dann zur Hitlerzeit alles auf. Herr Hagen ging im Vergleich zu Herrn Daubenbüchel mehr in die Details. Das Gespräch möchten wir dann auch verzeichnen.

Frage:             Wie war der Religionsunterricht? Wie wurde das gemacht?

Herr Hagen:   Wir wurden von Lehrern unterrichtet.

Frage:            Nicht vom Pastor?

Herr Hagen:   Auch. Und da haben wir Katechismus gemacht.

Frage:            Ja, da waren auch die Gebote.

Herr Hagen:   Ja, die waren auch dabei. Aber das waren halt die Pflichten und die Kirchenrechte.

Frage:            Zum Beispiel?

Herr Hagen:   Och, zu lange her. Das vergisst man ja dann. Mit den Feiertagen und der Fastenzeit.

                       Da gibt es Regeln, die weiß ich nicht mehr.  Irgendwie war das ja früher gestellt.

Frage:            Das wurde dann auch gemacht?

Herr Hagen: Genau, das wurde dann auch gemacht. Das wurde gelernt.

Frage:           Und was ist, wenn Sie das nicht gemacht haben? Zum Beispiel, wenn Sie nicht    

                      gefastet haben?

Herr Hagen: Ja, dann musste man beichten.

Frage:           Wie oft gingen Sie zur Kirche in der Woche?

Herr Hagen: Ja, fast jeden Tag. Manche mussten ja auch jeden Tag in die Kirche.  So 90%.

Frage:          Und um wieviel Uhr?

Herr Hagen:Ja, direkt vor der Schule. Wir waren immer frühzeitig in der Schule. Die Messe                                  dauerte eine halbe Stunde. Um 7 Uhr fing die an und 8:45 hörte sie 

         dann auf.

Nicht nur Katechismus und die ganze Bibel auswendig lernen hat die Schule im Religionsunterricht

den Kindern beigebracht. Ihnen wurde auch beigebracht, dass sie auch die armen Seelen aus dem „Fegefeuer“ retten. Das waren die sogenannten „Ablasstage“, wo die sehr eifrigen Kinder versuchten, die armen Seelen aus dem Fegefeuer zu retten, so viel sie konnten. So hat Frau Marks erklärt, wie sie es von dem Lehrer gesagt bekam: 

„Das hat unser Lehrer erklärt, wie was hat der noch mal gesagt: „10 Vater unser, 10 Gegrüßet seist du Maria“ beten. Ne. Und dann rausgehen aus der Kirche und dann

wieder, wieder beten.“

Der Pflichteifer geht zu weit!

Einen Zeitungsartikel, den wir hier verzeichnen, fanden wir in den Schulchronik. Er zeigte uns

eine etwas andere Gegebenheit aus der Volksschule im Jahre 1935. Es handelt sich um einen Lehrer

Namens Thenée, der am 5. Februar 1935 beim Amtsgericht in Bensberg erscheinen musste, und

zwar als Zeuge in einer Schulversäumnisklage. Wir wollten so gerne mehr über diesen Vorfall

wissen, aber niemand von unseren Zeitzeugen konnte sich an ihn erinnern. Wir haben auch das

Amtsgericht in Bensberg (Bergisch Gladbach) angerufen, um mehr Informationen zu bekommen,

aber es half uns nicht weiter. Es wurde uns mitgeteilt, dass, weil der Fall ein Zivilverfahren war, die

Akte wegen Verjährung der Zivilklagen von 30 Jahren vernichtet wurde.

5. Februar, 1935

Vierzig geschlagene Minuten dauerte die Verhandlung um eine Reichsmark (in Worten hundert

Reichspfennige). Bewaffnet mit allen Urkunden und Gesetzes-Material, zog da ein Volkschullehrer

gegen einen Eisenbahn–Betriebsassistenten aus Altenbrück zu Felde, der sein Kind wiederholt

widerrechtlich der Schule fern gehalten haben sollte. Zwei Fälle standen zur Verhandlung. Im

ersten hatte der Angeklagte eine plötzliche unaufschiebbare Reise machen müssen, in zweiten Fall

war, wie ein ärztliches Attest unzweideutig bekundete, die Frau des Angeklagten urplötzlich schwer

erkrankt. In diesem Fall hatte der Angeklagte sogar für die nächsten Tage der Krankheit eine Hilfe

ins Haus geholt und das Kind wieder zur Schule geschickt. Selbstredend ließ er den Vorwurf, sein

Kind absichtlich aus der Schule gelassen zu haben nicht gelten und hatte gegen den polizeilichen

Strafbefehl von einer Mark Einspruch erhoben. Er wurde in der gestrigen Verhandlung gemäß dem

Antrag des Staatsanwalts frei gesprochen. Wegen einer Mark und einer Schulversäumnis musste

also ein großzügiges Gerichtsverfahren eingeleitet werden, und der pflichteifrige Herr Lehrer

versäumte, weil ein Kind einmal aus dem Notfall heraus aus der Schule blieb, selber einen ganzen

Morgen den Unterricht. Dazu kommen noch die Kosten der Verhandlung, die in diesem Fall die

Stadt trägt, und die Verärgerung, die auf diese Weise zwischen Schule und Elternhaus getragen

wird, noch obendrein. Der Lehrer wies, ohne daß ihm ein Vorwurf gemacht worden war, von sich

aus den Verdacht weit von sich, als ob er dem Angeklagten etwas „gewollt“ habe.

 

Es ist nicht zu übersehen, dass der Autor des Zeitungsartikels auf der Seite der Eltern stand. Aber ob

es ein Fall für „gegeneinander“ war, konnten wir nicht sagen, weil wir keine andere Unterlage

gefunden haben. Aber auf jeden Fall verließ Herr Andreas Thenée im Jahre 1935 die Schule (900

Jahre Overath, Gemeinde Overath, 1964, S. 214) Ob das wirklich der Grund war, konnten wir nicht

feststellen.

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